ERFOLGREICH ALS ORCHESTERMUSIKER BEIM MUSICAL

Interview mit Profimusiker & Mister Music Mitarbeiter Thomas Nell

Thomas, du bist professioneller Trompeter, Bandleader, Dirigent und kannst auf eine Vita zurückblicken, die ein enormes Arbeitspensum aufweist. Seit 20 Jahren bist du festes Mitglied in diversen Theater-Orchestern und warst an unzähligen Musical-Produktionen beteiligt. Wie kommt man als aufstrebender Musiker zu einem Musical-Engagement?

Außer fleißig sein und regelmäßig üben ist es wichtig, sich nicht nur in eine Richtung festzufahren, sondern für mehrere musikalische Stilrichtungen offen zu sein und sich auch dafür zu interessieren. D.h. alles, was man spielt, versuchen, so gut wie möglich zu spielen und sich die Musik von guten Orchestern, Ensembles, Bands, Solisten und Interpreten immer wieder anhören und versuchen, daraus für sein eigenes Spielen zu lernen.
In den musikalisch total unterschiedlichen Musicals ist genau diese vielfältige Erfahrung gefragt.

Meine Wurzeln sind im Blasorchester, aber ich habe in meinem Leben inzwischen von Barockmusik, Jazz, Rock, Pop über Schlager und Volksmusik, Sinfonischer Blasmusik, Tanzmusik, Bigband, Egerländer bis Sinfonieorchester alles gespielt.
Dabei war und ist mir aber immer sehr wichtig, alles so gut wie möglich zu machen.
D.h. ich arbeite ständig an mir, um mich weiter zu entwickeln.

Das kommt mir in den Musicals zugute. Da mußt Du Dich flexibel in ganz vielen musikalischen Stilrichtungen bewegen können.

Angefangen hat für mich das Musical-Leben 1996, als sie bei „Miss Saigon“ in Stuttgart einen Trompeter suchten.
Damals hatte ich mich für´s Probespiel angemeldet, für das ich das Haydn-Trompetenkonzert wieder aus der „Schublade“ holen, aber auch diverse Orchesterstellen aus „Miss Saigon“ vorbereiten mußte.

Der damals wohl gut gelungene Vortrag sollte mein Leben verändern und so bin ich nun seit über 20 Jahren Mitglied in den Musical-Orchestern der beiden Stuttgarter Theater „Apollo-“ und „Palladium“.

An welchen Musicals warst du zuletzt beteiligt bzw. bist du derzeit im Einsatz?

Im Apollo-Theater zuletzt bei „Mary Poppins“ und aktuell beim „Glöckner von Notre Dame“.
Ab Februar 2019 werde ich auch bei „Aladdin“ dabei sein.
Im Palladium-Theater war ich zuletzt bei „Chicago“, „Rocky“ und „Bodyguard“.
Aktuell ist hier Produktionswechsel und es läuft die Aufbauphase für „Anastasia“, wo wir nächste Woche Premiere haben.

Foto: Matthew Murphy

Jeder Vereinsmusiker weiß, wie intensiv es sein kann, die musikalische Leistung für eine kleine Aufführung oder z. B. ein Jahres-Konzert aufzubringen. Wie aufwändig ist die Vorbereitung für eine professionelle Musical-Produktion und wie oft probt ihr tatsächlich?

Das ist unterschiedlich. Nicht jedes Musical ist für uns Musiker gleich aufwendig. Umfang und Schwierigkeitsgrad sind auch verschieden, so wie etwa bei der Literatur im Blasorchester-Bereich. Wobei es nie leicht ist, nur die Schwerpunkte ändern sich von Stück zu Stück.
In jedem Musical gibt es Stellen, die Du richtig üben und auch das ganze Jahr über immer wieder für Dich auffrischen mußt.

In der Regel ist es so, daß man das Notenmaterial ein paar Wochen vor Beginn der Probenphase bekommt. Jeder übt erst mal für sich, dann beginnen die Orchesterproben im Proberaum. Parallel dazu üben die Darsteller erst mal nur mit Klavier auf der sog. Probebühne. Nach ca. 1 Woche gehts dann in den Orchestergraben und die Darsteller auf die richtige Bühne, wo dann die gemeinsamen Bühnenproben mit Orchester und Darstellern stattfinden. Nach 1-2 Wochen (je nach Aufwand und Stück) gibts dann ein paar Vorpremieren, wo der letzte Schliff passiert und dann ist Premiere.
Insgesamt dauert so eine Aufbauphase bei einem Produktionswechsel je nach Stück etwa 3-4 Wochen. Danach läuft der normale Spielbetrieb mit 7-8 Vorstellungen pro Woche.

Hat man als Orchestergraben-Musiker noch Lampenfieber oder kann man sich aufgrund des Schauspiels auf der Bühne auch mal zurücklehnen?

Klar, ein bißchen Lampenfieber gehört immer dazu. Das ist auch wichtig, damit eine gewisse Spannung und Qualität erhalten bleibt. Natürlich ist die Anspannung am Anfang einer neuen Produktion höher, wird aber nach einer gewissen Zeit und Routine etwas weniger. 
Nur mit zurücklehnen sollte man vorsichtig sein, das wird oft postwendend „bestraft“. Wer selbst ein Blasinstrument spielt, weiß was ich meine.
In dem Moment wo man das Instrument ansetzt, sollte man auf der Stuhlkante sitzen.

Foto: Matthew Murphy

Gibt es so etwas wie musikalischen Interpretationsspielraum für das Orchester oder wird streng darauf geachtet ein akkurates "Vom-Blatt-Spiel" umzusetzen?

Meistens wird ein genaues Spiel nach der Notenvorlage verlangt. Als Trompeter ist dies 5-8 mal die Woche schwer genug. 
Natürlich wird es immer kleine unterschiedliche Nuancen bei der Interpretation geben.
Wenn Du z.B. die 1.Trompete 5 verschiedene Musiker spielen läßt, dann wird die Show bei jedem etwas anders klingen. Jeder hat seinen eigenen Sound und seine eigene Art der Artikulation, Phrasierung usw.
Es gibt aber bei manchen Musicals auch Improvisations-Spielraum, wo Du bei kleineren Solos Deine eigene Note einbringen kannst, wie z.B. zuletzt bei „Chicago“ oder „Bodyguard“. Das macht richtig Spaß.

Was braucht man außer Disziplin und Talent noch, damit man als professioneller Orchestermusiker bestehen kann?

Die richtige persönliche Einstellung ist wichtig: immer versuchen, das Beste aus sich heraus zu holen, aber dabei den Spaß bei der Arbeit und den respektvollen Umgang mit den Kollegen nicht vergessen ! Ein gutes Arbeitsklima ist für mich das A&O.
Spaß mit den Kollegen, ohne dabei den Qualitätsanspruch zu verlieren.

Foto: Matthew Murphy

Thomas, vielen Dank. Hast du unseren Kunden noch einen letzten Tipp aus deiner langjährigen Musical-Erfahrung, der sich für das Musizieren auch im heimischen Musikverein umsetzten lässt?

Beim Üben und Spielen immer auf einen guten Sound achten, dann kommt vieles von alleine. Ein regelmäßiges Übungsprogramm zurecht legen. Aber auch Pausen bewußt einplanen, denn die sind genau so wichtig wie´s Spielen.
Gute Vorbereitung ist das beste Mittel gegen Lampenfieber. D.h., ein Stück zu Hause so oft spielen, bis es fast automatisch läuft, dann kann man sich im Verein viel mehr auf die Musik und das Zusammenspiel konzentrieren. Schwierige Stellen aber nie zu verbissen üben, sondern in kleinen Häppchen immer mal wieder konzentriert anpacken und wieder weglegen.
Für mich aber oberstes Gebot:
Spaß haben beim gemeinsamen Musizieren und dabei immer den Anspruch auf gutes Zusammenspiel und gute Intonation im Auge behalten, dann macht’s Laune.
Und wenn mal was daneben geht, bleiben wir trotzdem Freunde und trinken hinterher einen (Sprudel) drauf ;-).


Wer Thomas live erleben will, findet aktuelle Show-Daten hier:
https://www.stage-entertainment.de/musicals-shows/anastasia-stuttgart.html

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